Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema eines erfolgreichen Engagements gegen antischwarzen Rassismus in Deutschland durch ein starkes Empowerment von Schwarzen Menschen. Der Titel des Beitrags wirft die Frage auf, warum Schwarze Menschen in der Welt und insbesondere im Westen/Deutschland empowern werden sollen. Darüber hinaus erscheint die Notwendigkeit, Rassismus im 21. Jahrhundert zu bekämpfen, in einer vermutlichen Zeit der großen Durchmischung, Begegnung und Akzeptanz, merkwürdig. Doch auch wenn einige Fortschritte zu erkennen sind, muss man feststellen, dass Schwarze Menschen immer noch von einem rassistischen System unterdrückt sind. Das System hat sich nur transformiert, sich der Zeit angepasst und andere Kleider angezogen. Das Fortbestehen einer solchen Realität lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass sie seit Jahrhunderten systematisch und systemisch ist. Denn, auch wenn einige plötzlich überrascht sind, das Ausmaß des Phänomens anlässlich von Bewegungen wie Black lives Matter zu entdecken, ist die historische Kontinuität des Phänomens für andere, die es täglich erleben, ganz offensichtlich. Es ist in der Tat sein jahrhundertlanger systemischer und systematischer, ja pseudowissenschaftlicher Charakter, der ihn zu einem besonderen und dauerhaften Phänomen macht und ihn von einfachen Formen der Diskriminierung unterscheidet.
Das Rassensubjekt
Ohne eine lange geschichtliche Analyse vornehmen zu wollen, können wir die Tatsache unterstreichen, dass die Beziehung zwischen den verschiedenen Völkern der Welt und das noch heute bestehende Herrschaftsverhältnis zwischen derselben eine entscheidende Wendung in der Zeit der großen Entdeckungen nahm. Das ist eine Zeit, in der Europa sich daran machte, die lebende Welt und insbesondere die Menschheit zu beschreiben, zu vergleichen und systematisch zu ordnen. Indem man die Hierarchien der Antike und die vom Christentum propagierte Farbsymbolik (Weiß als Symbol des Göttlichen, Schwarz als Symbol der Hölle und des Bösen usw.) aufgriff, sie verstärkte und die Kategorie der „Rasse“ erfand, um die Versklavung „nicht-weißer“ Bevölkerungen zu rechtfertigen, entstand schnell ein „Rassensubjekt“.
Das „Rassensubjekt“ (So Achille Mbembe) ist in der Hierarchie der verschiedenen Völker weit unten angesiedelt. Dabei nimmt der weiße Mensch die höchste Position ein. Das Rassensubjekt, d.h. der so genannte Schwarze, wird so als ein Wesen konzipiert und wahrgenommen, das allen anderen unterlegen ist, ein Wesen, dessen Menschlichkeit nicht sicher ist. Dieser Ausschluss aus der Menschheit macht ihn zum fehlenden Glied zwischen Menschen und Affen. Der systematische Charakter der Produktion dieses Menschen, halb-Tier, halb-Mensch, wird durch die Mobilisierung des gesamten philosophischen, biologischen, anthropologischen, literarischen und politischen Arsenals deutlich. Hier ist das Ziel, nicht nur die Differenz/Ungleichartigkeit zwischen diesem Wesen und dem „wirklichen Menschen“, also dem weißen Mensch zu beweisen, sondern auch den Beweis seiner „natürlichen Unterlegenheit“ zu betonen.
Im ersten Text dessen, was Achille Mbembe die Schwarze Vernunft nennt, kann man alles finden: die Gewissheit seiner angeblichen Wildheit, die Beweise seiner Primitivität und seiner Rückständigkeit, den Glanz seiner Hässlichkeit, seiner Abscheulichkeit und seines Schmutz, die Bestätigung seiner Bestialität, seiner Niedertracht und die Leere seines Wissens.
Diese Systematisierung der Infäriorisierung/Hierarchisierung, deren zentraler Knotenpunkt die Interpretation des Phänotyps bleibt, wird durch die Denker jener Zeit (Kant, Hegel, Gobineau usw.) verbreitet, verfestigt und dient als intellektuelle Garantie/Begründung für die Beherrschung der Bevölkerungen afrikanischer Herkunft. (Sklaverei, Kolonisierung usw.).
An dieser Stelle ist es wichtig, die herausragende Rolle einiger deutscher Philosophen in diesem Prozess der Systematisierung rassistischen Denkens hervorzuheben, da sich das Land selbst gerne außerhalb dieses Systems sieht. In Anknüpfung an das Denken der Antike und der Renaissance beharrt Kant auf der Idee, dass wahrnehmbare physische Unterschiede vermeintlichen geistigen, moralischen,
emotionalen Unterschieden entsprechen. Entsprechend der Logik der weißen Vorherrschaft (Weiße Dominanz/ White Suprematie) ist es nur selbstverständlich, dass der weiße Mensch in Kants Denken als Träger aller positiven Eigenschaften erscheint, während der schwarze Mensch als sein fundamentales Gegenteil beschrieben wird. Zusätzlich zu den hier bereits vorgestellten dichotomischen Gegensätzen führt Kant die Vorstellung ein, dass Schwarze kein tiefes und feines Innenleben haben bzw. haben können. Und da diese sich seiner Meinung nach noch im Vorzimmer der Geschichte befänden, hätten die Europäer die Pflicht, sie zu zivilisieren. Seinerseits ist Hegel der Meinung, dass der Afrikaner keine Ethik, keine Moral, keine Menschlichkeit besitze, was die Sklaverei rechtfertigen würde. Warum ist es wichtig, diese Beispiele hervorzuheben? Ganz einfach, weil es sich um große, verehrte Philosophen handelt, deren Denken mehrere Generationen beeinflusst hat, die es sich auf ihre eigene Weise angeeignet haben.
Phänotyp und Kontinuität
Das Ende von offen rassistischen Regimen (Sklaverei, Kolonisierung, Apartheid, Nationalsozialismus etc.) bedeutet keineswegs das Ende des Rassismus, der eine heimtückischere, hinterhältigere Form angenommen hat. Im Gegensatz zu dem, was man denken könnte, ist Rassismus in rechtsextremen Kreisen genauso stark ausgeprägt wie in der sogenannten guten Gesellschaft. Jedenfalls bleibt der Phänotyp als rebellische Spur übrig, welche die Utopie vom Ende des biologischen Rassismus ins Wanken bringt. Denn auch wenn manche versuchen, den heutigen Rassismus mit einem angeblich radikalen kulturellen Unterschied zu rechtfertigen, so ist es doch nicht weniger wahr, dass der Phänotyp das zentrale Element von infäriorisierenden Interpretationen bleibt. Unabhängig von sozialem Status, Geschlecht, politischer Orientierung, nationaler Herkunft usw. scheint der Phänotyp ziemlich schnell Auskunft über den Grad des Respekts zu geben, der dem Einzelnen entgegengebracht wird, über das Maß an Sympathie für ihn, über seine Ehrlichkeit, seine Herkunft, seine Zugehörigkeit zur Zivilisation oder zur Wildnis, seine Fähigkeit zu lieben und das Recht, geliebt zu werden, seine intellektuellen Fähigkeiten, sein Verhältnis zur Polizei und zur Verwaltung und sein Recht, dort zu sein, wo er gerade ist. Der Phänotyp scheint also in der Lage zu sein, die Wahrheit über das Subjekt zu sagen.
Genau in diesem System der gewalttätigen und hierarchischen Konfrontation der verschiedenen Phänotypen entwickeln sich Schwarze Menschen in Deutschland, (im Westen und in der ganzen Welt) und versuchen, ihren Weg zu finden.
In Deutschland macht das Verhältnis zum Weißsein ( also Weißsein als latentes und zentrales Merkmal der nationalen Identität) das Schwarze Subjekt zu einem Subjekt, das als nationaler und symbolischer Gleichartiger schwierig wahrzunehmen ist.
Doch, Von den Texten der Philosophen der Aufklärung her über die Nürnberger Gesetze bis hin zu den sozialen, beruflichen und anderen Benachteiligungen der Gegenwart haben Schwarze Menschen in Deutschland Widerstandskraft bewiesen.
Resilienz
Eines der grundlegenden Probleme der anti-rassismusbewegungen besteht darin, dass Schwarze gegen ein System kämpfen, das auf internationaler Ebene nur durch deren Ausbeutung und Unterdrückung aufrechterhalten wird. In Europa befinden sie sich in einem Raum, in dem sie direkt und total dominiert sind.Für sie ist es ein Raum der Machtlosigkeit (Impouvoir – Leonora Miano), in dem sie keine Kontrolle haben.
Doch trotz dieser Lage der symbolischen und manifesten Dominanz hat der Antirassismus-Kampf in Europa und in Deutschland eine lange Geschichte mit recht bedeutenden Erfolgen. Verschiedene Organisationen setzen sich seit langem dafür ein, dass die Stimme von Schwarzen Menschen gehört wird.
Die Wiederaneignung des symbolischen Bereichs, auch wenn sie subtiler ist, scheint mir ein grundlegender Bereich zu sein, um eine nachhaltige und widerstandsfähige Emanzipation anzustoßen. Der ästhetische und symbolische Bereich steht in letzter Zeit im Mittelpunkt von Strategien zur Rückgewinnung der eignen Stimme und zur Umgestaltung des Imaginären, um die Realität zu beeinflussen. Indem sie sich selbst erzählen, entreißen die Schwarzen ihren Unterdrückern das Monopol der Erzählung und sind in der Lage, ihre Geschichte auf genauere Weise zu erzählen.
Die Wiederentdeckung der Schönheit des schwarzen Körpers mit seinen Haaren und morphologischen Besonderheiten; die Neuausrichtung des affektiven, emotionalen und körperlichen Begehrens auf Gleichartige, welche für die koloniale Bibliothek und ihre Avatare außerhalb der Schönheitsnormen liegen; die Hervorhebung des kulturellen Reichtums einer diversen Gruppe und die Hervorhebung des intellektuellen Potenzials, sind unter anderem Teil dieses ästhetischen und symbolischen Programms der Befreiung des Imaginären und der Aufwertung des Selbst.
Dies würde dem entsprechen, was einige Philosophen als „Care Relationship“ bezeichnen. Grundsätzlich gehört das Verhältnis der Fürsorge zu den Aufgaben des Staates und der Nation, die verpflichtet sind, jedem Bürger ein ungiftiges/untoxisches Umfeld zu bieten, in dem er sich voll entfalten kann. Es handelt sich um eine Art sozialer Beziehung, die unter anderem auf Vertrauen, Einfühlungsvermögen, Unterstützung, Wertschätzung, Heilung, Fürsorge, Sorge, Respekt, Schutz des Lebens und der Würde sowie der Erfüllung/Befriedigung der psycho-emotionalen Bedürfnisse beruht. Es ist die Fähigkeit, dem anderen Aufmerksamkeit zu schenken, den anderen zu berücksichtigen.
Aus Erfahrung können wir leicht feststellen, dass keine Regierung der Welt eine solche Beziehung zum schwarzen Menschen hat, nicht einmal in Afrika. Wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Schwarzen und anderen Menschen geht, ist es immer zweifelhaft, ob sie vom Typ „Fürsorge/care“ sind.
Doch, nach einer langen Zeit der Entmenschlichung von Schwarzen ist es dringend notwendig, ein Maß an Zärtlichkeit gegenüber der Gleichartigen (denjenigen mit ähnlichen Rassismuserfahrung) wiederzuerlangen. Vernetzung, gegenseitige Unterstützung, Schaffung von „Safe places“ sind einige Beispiele für Möglichkeiten des gegenseitigen Empowerments.
Diese Befreiung des Imaginären ermöglicht eine Projektion der eigenen Person in die reale Welt als ein selbstbewusstes und stolzes Wesen. Sie ermöglicht es uns, u.a. in den wirtschaftlichen Bereich (also einen echten Ort der Macht) einzudringen und zu handeln. Die Machtlosigkeit der Schwarzen auf internationaler Ebene ist auch und vor allem eine wirtschaftliche Machtlosigkeit. In Afrika haben sie bereits keine Kontrolle mehr über die Preise ihrer Rohstoffe und die Wege ihrer Verarbeitung, und in Europa scheinen Schwarze bestenfalls Angestellte zu sein, die dem Wohlwollen anderer ausgeliefert sind. Es ist daher wichtig, die Initiativen aller Beteiligten in diesem Sektor zu fördern, um eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit zu verringern.
Es muss aber betont werden, dass mit den neuen Ansätzen des „Racial Turn“ Rassismus nun viel mehr unter dem Blickwinkel des Weißseins analysiert wird, d. h. der Art und Weise, wie sich das Weißsein als Norm durchgesetzt hat, indem es alles andere verachtet, ausbeutet und dominiert. In dieser Hinsicht ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Rassismus in erster Linie ein Problem von Menschen ist, die als weiß wahrgenommen werden, ein Problem des weißen Systems. Es sind vor allem diejenigen, die in diesem diskriminierenden System Machtpositionen innehaben, die ihm ein Ende setzen können,….wenn sie es wollen.