Mein Viertel. Müsste ich mein Viertel beschreiben, dann würden mir jeden Tag neue Wörter einfallen. Jeden Tag, jede Stunde, gar jede Minute, in dem Moment wo die Sonne auf und später unter geht, jede Jahreszeit, oder bei jedem Wetter. Mein Viertel ist ein Ort bestehend aus mehreren Adjektiven und Synonymen, Bedeutungen und Fragen. Ein Ort mit vielen verschiedenen Menschen und ihren Geschichten, in dem alle ihr eigenes Leben führen. Und mittendrin, im tobenden durcheinander, bin ich.
Mein Viertel lässt mich, wie bereits gesagt, mich an manchen Tagen wohl fühlen, aber es gibt auch die anderen Tage, Tage, an denen ich auch ein Unbehagen spüre. Das Fenster im Badezimmer fühlt sich, nachdem einem hinterhergerufen wurde, ganz schön unangenehm an und die Wohnung, wenn alle unterwegs sind, friedlich. Die Nachbarschaft besteht aus unerzählten, ungehörten Geschichten. Falls du bis jetzt aufmerksam gelesen hast, wirst du merken, dass ich bis jetzt weder meinen Namen noch meine Identität preisgegeben habe. Ich? Ich bin eine normale Bewohnerin meines Viertels. Jemand der in seinen 7 Wänden mit Familie und Freunden lebt. Naja, eher weniger Freunde, aber dafür umso mehr Familie. Unbedeutend komme ich mir vor, meistens übersehen. In so einem Durcheinander komme ich mir wie ein kleiner Cent am Straßenrand vor. Anstatt euch zu sagen, wer ich bin, könnte ich euch beschreiben, wer ich nicht bin. Ich bin niemand, der beobachtet, aber einfach aus dem Schicksal heraus Sachen mitbekommt. Ob Schicksal wirklich existiert, ist eine Frage, die man nicht in meinen kleinen, abgelegenen Viertel beantworten kann. Die Frage bedarf weitaus mehr als nur einer Straße und weniger Häuser. Stelle ich mir Schicksal wirklich vor, dann denke ich an New York oder an weitaus größere Städte. Die schöne Idee der Freiheit in Amerika oder der Liebe in Frankreich. Die Aura, die Stimmung, insgesamt die romantisierte Vision der Realität, die an eine Utopie des Menschen grenzt. Alles ist überall besser als hier, denkt man sich.
Mein Viertel raubt mir den Atem und fühlt sich sehr oft wie ein unerforschtes schwarzes Loch an. Es ist leise und laut zu gleich. Die Wände zu hoch, die Quadratmeter meines Hauses zu klein. Dieselben grimmigen Gesichter Tag und Nacht. Mein Viertel ist ein Ort, den ich hasse, genauso wie ich ihn liebe. Ein Paradoxon, das nicht von der Physik bestimmt wurde. Wie bereits erwähnt, es ist ein Ort bestehend aus mehreren Adjektiven und Synonymen. Je weiter ich schreibe, desto mehr merke ich, dass mein Viertel letztendlich ein Ort ist, bestehend aus vielen Leuten, die doch alleine sind. Da, wo die Sonne untergeht und später aufgeht, verändert sich die Bedeutung meines Viertels, denn jede Person bringt eine neue Bedeutung mit. Also denke ich, auch wenn ich das am Anfang des Textes anders geschrieben habe, dass auch ich, eine unbekannte Person, auch irgendwie in meinem Viertel eine Bedeutung habe.